Das Thema „Gendern“ hat längst Einzug in unser Schreiben und Sprechen gehalten, nicht nur im deutschen Sprachraum. Sternchen, Binnen-I, Doppelpunkt, der Glottisschlag beim Aussprechen gesternter Begriffe wie „Bürger*innen“ und dergleichen: Die Gefahr, dass sich geschlechtersensible Sprache sperrig liest oder anhört, lässt sich nicht wegdiskutieren.
Viele Menschen stehen dem Thema immer noch reserviert gegenüber, eben weil sie mit „Gender“ hauptsächlich dieses Sperrige, Ungelenke, das Umständliche und (aus ihrer Sicht unnötig) Betonende assoziieren, das Ganze schulmeisterhaft finden. Letztlich sind es die Genderzeichen, die den Unwillen erregen. Sie fallen nun mal stark ins Auge und drücken dem Text sofort unmissverständlich einen Stempel auf: „Gegendert!“ Kurzum, Gendern mag in unserer Sprache längst angekommen sein, doch es bleibt ein kontroverses und sensibles Feld.
Praktisch und sofort einsatzbereit
Muss Gendern sperrig sein? Nein, es kann elegant und ökonomisch erfolgen und so quasi „unterm Gender-Radar fliegen“. Genau das versuchen die beiden Texterinnen und Lektorinnen Andrea Görsch und Katja Rosenbohm zu vermitteln. Ihre Zwei-Frau-Agentur „Görsch und Rosenbohm“ bietet Unternehmen Trainings zu Rechtschreibung und Gendern an. Nach dem „Workbook Gendern“ und dem „Ratgeber Rechtschreibung: Wie Sie im Job korrekt schreiben“ ist von den beiden kürzlich ein drittes gemeinsames Buch erschienen – „Dudenkonform gendern ohne Genderzeichen: eine Anleitung“. Dieses Buch öffnet nun einen Werkzeugkasten für elegantes, sternloses Gendern.
Als ich das Buch in die Hand bekam, war ich erstaunt: so dünn? Alles zum Gendern auf nur etwa 30 Seiten? Nun, „alles“ sicher nicht, aber das wird auch nicht versprochen. Das Buch möchte eine praxistaugliche Anleitung zum dudenkonformen Gendern sein.
Andrea Görsch und Katja Rosenbohm stellen darin sage und schreibe 17 verschiedene Werkzeuge vor, sich Wege zum Gendern ohne Genderzeichen zu erschließen. Nicht jedes Werkzeug taugt in jedem Fall, doch in ihrer Gemeinsamkeit decken sie sehr viele Einsatzbereiche ab. Jedes Tool wird mit seinen Vorteilen und Einschränkungen erklärt und in einem griffigen Textbeispiel angewandt. Praktisch: Die Werkzeuge sind nach den Stichworten, die sie treffend beschreiben, alphabetisch sortiert: „Adjektive, Abkürzungen, direkte Ansprache, Doppelnennung usw. bis hin zu Sparschreibung, Verben, zusammengesetzte Begriffe“. Diese Listung erleichtert es enorm, nach und nach die möglichen Umformulierungsmethoden direkt aus dem Kopf abrufen zu können.
Abgerundet wird das Ganze durch gute Argumente fürs Gendern und einen kleinen Übungsteil (mit Lösungsvorschlägen) am Ende, wo man es selbst versuchen darf. Denn: „Übung macht meisterlich“, wie Görsch und Rosenbohm es treffend –und genderneutral – formulieren.
Fazit
Durchgängig ohne Genderzeichen gehen wird es sicher nie, doch auf ein Minimum reduzieren lassen sie sich mit dem Werkzeugkasten allemal. Und das birgt drei Vorteile: Erstens: lesefreundlichere Texte. Zweitens schult man die eigenen Formulierungskünste. Ist die geforderte Kreativität erst einmal entfesselt, fahndet man gerne nach schönen Möglichkeiten für eleganteres Gendern – ein dritter Pluspunkt.
Die 17 Werkzeuge sind quasi das Schweizer Offiziersmesser für gendersensibles Formulieren. Das schlanke Buch ist ein praxistaugliches Vademecum für Gender-Neulinge und-Erfahrene gleichermaßen. Apropos Vademecum: Statt des Din-A4-Formats hätte mir ein „taschentauglicheres“ Din-A5-Format besser gefallen. Weißraum und Schriftgröße hätten das ohne Probleme hergegeben. Aber das wäre auch schon alles an Kritik. Diese Gender-Anleitung gehört auf die Schreibtische der textenden, lektorierenden, übersetzenden Gilde, dann hat es sich hoffentlich bald mit unnötiger Gender-Gegenwehr.
Andrea Görsch, Katja Rosenbohm: Dudenkonform gendern ohne Genderzeichen – eine Anleitung.
ISBN: 987-3-911185-OO-4