„Übersetzerin sind Sie? Interessant. Was übersetzen Sie denn, Romane?“ „Nein, keine Romane. Verträge, Bedienungsanleitungen, Werbebroschüren …“ „Ach so, ja. Da hatte ich doch neulich erst mal wieder so eine merkwürdige Bedienungsanleitung in der Hand. Zum Piepen, was da stand! Irgendwie kapiert hat man ja schon, was das Kauderwelsch bedeuten sollte, aber …“
Dialoge wie diesen dürften viele Übersetzer von Gebrauchsprosa kennen. Es ist schon merkwürdig, wie viele professionelle Kolleginnen und Kollegen weltweit da draußen täglich ihren Dienst versehen, und das zuverlässig und gar nicht merkwürdig und schon gar nicht zum Piepen. Trotzdem gehen beim Stichwort „Übersetzung“ immer wieder dieselben Assoziationsfenster auf: „grottenschlecht geschrieben und völlig unverständlich“, „sagt man doch so eigentlich nicht“, „naja, war eben übersetzt, kein Wunder …“ und derlei mehr.
Unschuldige Bits and Bytes
Klar gibt es Nestbeschmutzer in unserer Zunft – viele, ganz sicher. Gegen miese Arbeitsqualität ist auch eine reguläre Universitätsausbildung mit Abschluss kein Garant. (So wie es umgedreht auch fachliche Quereinsteiger gibt, die ganz brillant übersetzen.) Doch ganz massiv befördert wird unser zuweilen schlechter Ruf von unschuldigen Bits und Bytes. Und die wahrhaft Schuldigen im Dunkeln sieht man nicht: die, deren Oberziel es ist, menschliche Arbeitskraft einzusparen. Die (sicherlich kluge) Programmierer anstellen, einer Maschine die Kunst des Übersetzens beizubringen.
Sehr zum Leidwesen dieser Technokraten funktioniert maschinelle Übersetzung, kurz MÜ, immer noch nicht recht. Auch fast fünfzig Jahre nach dem Bericht des ALPAC (Automatic Language Processing Advisory Committee), einem siebenköpfigen Gutachtergremium der US-amerikanischen National Academy of Science, bleibt es dabei: „Humanübersetzer“ lassen sich nicht oder nur äußerst unzureichend maschinell simulieren.
„Wir wissen, das Gerät innen und außen“
Erst jüngst stolperte ich wieder über einen Beweis dafür: Für ein Unternehmen sollte ich im Auftrag eines Übersetzungsbüros zwei Texte übersetzen. Sowohl die Thematik als auch das Unternehmen (ein amerikanischer Druckmaschinenhersteller) und seine Produkte waren mir neu, weshalb ich mich erst einmal an die Hintergrundrecherche begab. Was lag näher als nachzusehen, ob die Firma, nennen wir sie ABC, eine Webpräsenz hat. Hat sie, und sehr zu meiner Freude entdeckte ich auch eine deutsche Variante. Doch die Begeisterung darüber wich Sekunden später einer Mischung aus heimlicher Häme und bedauerndem Kopfschütteln:
„ABC Print Produkte ist eine umfassende Quelle für alle Lieferungen, Verbrauchsmaterialien und Geräte benötigt, um effizient jede Druckvorgang ausgeführt wird. Diese wachsende Teilung der ABC Inc. bietet ein breites Angebot von Prepress, Press und Postpress-Lieferungen, fast alles was Sie zu Ihrer Druckerei Bedürfnisse unterstützen müssen.“
Aaaah ja. Keine Frage, man versteht es ja schon, irgendwie.
„ABC Print Products ist ein führender Distributor von Flexo-und Offsetdruckerzeugnisse und bietet eine vollständige Palette von Drucksaal Teile, Press-Ausrüstung, und drücken Sie Zubehör, um Ihre Arbeit zu erleichtern und Ihr Unternehmen profitabler.“
Hm. Komisch eigentlich, dass der Übersetzungsextruder, durch den sie den Text gejagt haben, nicht wenigstens so viel Schläue hatte, gleiche Wortfolgen in gleichen Kontexten identisch zu übersetzen: „Print Produkte“ im ersten Satz und „Print Products“ im zweiten lassen ahnen, dass das mit der perfekten MÜ auch in diesem Jahrhundert vermutlich nichts mehr wird und die ALPAC-Vertreter eben doch den richtigen Weitblick hatten, als sie damals anrieten, MÜ zu verwerfen und bei der Weiterentwicklung lieber auf elektronische Hilfsmittel wie Terminologiedatenbanken und Wörterbücher zu setzen.
Drucktechnik und Philosophie – zwei Welten vereint?
Stattgegeben, manches klingt ja schon ganz ordentlich: „Neueste Nachrichten“, „Kommende Veranstaltungen“ und „Erweiterungen und Upgrades“ lese ich in der Sidebar der Website. Vielleicht tut sich die MÜ mit kurzen Wortketten leichter? Mitnichten. „Handel-Ins und Umbauten“ prangt da unter Navigationspunkt „Customer Support“, und „Presse Moves“. Beides erschließt sich mir auch nicht auf den zweiten Blick, wie mag es da erst Menschen gehen, die gar kein Englisch können.
Sobald aber ansatzweise Satzstruktur ins Spiel kommt, wird es entweder schwierig oder wahlweise lustig: „Den vollständigen Artikel lesen hierher.“ Aber zackzack jetzt! Ob sich potenzielle Kunden von diesem unfreiwilligen Kasernenton angesprochen fühlen? Manches mutet gar philosophisch an: „Die Teile sind Teile sind, oder?“ Na klar doch. A rose is a rose is a rose.
Auch im 21. Jahrhundert ist darauf Verlass: Menschensprache ist auch in ihren einfachsten Wendungen voller Tücken. Und die nur Null-eins sprechenden Computer fallen ihnen immer wieder anheim. Gut so. Wäre es anders, hätte ich den neuen Auftrag nie bekommen. Und müsste mich wohl doch aufs Romanübersetzen verlegen: Belletristik scheut die MÜ weiterhin wie der Teufel das Weihwasser – zu Recht, wie obige Beispiele zeigen.